Willkommen auf meinem Blog, auf dem es Worte aus meinem innersten zu lesen gibt. Seit 2011 besitze ich diesen Blog und freue mich über jeden einzelnen Kommentar, aktiven Leser und selber Schreiber. Ich erzähle aus meinem Alltag, wie es ist mit psychischen Erkrankungen zu leben und den steinigen Weg in den richtigen Körper zu finden. Danke an jeden, der mich dabei begleitet und meine Worte fühlt. Benjamin

Dienstag, 8. Januar 2019

Epiphany

Bald ist es schon acht Jahre her. Acht Jahre liegen zwischen der schlimmsten Zeit meines Lebens und jetzt. Zu der Zeit war es die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich hatte noch nicht viel erlebt. Ist das eine Entschuldigung? Eine Entschuldigung dafür, warum ich so jämmerlich gelitten habe? 2900 Tage. Wie wenig sich das anhört und doch fühlt es sich an wie in einem vergangenen Leben. Ich hab im Januar 2011 so viel verloren und nichts wieder gefunden. Selbst nach all der Zeit nicht. Ich hab vertrauen verloren, meine Jugend, meine beste Freundin. Sie starb und ich wurde einfach älter als sie. Nur wenige Monate nach ihrem Tod hatte ich ihr Alter eingeholt und seitdem bin ich älter als sie jemals werden konnte. Ich verlor einen Teil meiner Jugend, weil ich die Rollen mit meinen Eltern tauschte. Ich wurde zum Elternteil für meine Mutter, denn auch sie hatte etwas verloren und sie schaffte es nicht alleine, etwas anderes im Gegenzug wieder zu finden. Die Grenzen verschwammen, es musste irgendwie passieren und letztendlich fand ich mich wieder, wie ich sie zum essen und trinken zwang, wie ich ihre Tränen trocknete und mir jede Sorge anhörte. 15 war mein Körper zu der Zeit. Mein Kopf musste weiter sein, musste vernünftig sein. Ich hab all das kaum ausgehalten. Es musste also ein großer Sprung her und dann wuchs ich über mich hinaus, um diesen Aufgaben gewachsen zu sein. Jedes mal wenn ich die Augen schloss, übermannte mich die Trauer. Ich hatte das erste mal jemanden an den Tod verloren. Jedes mal wenn ich die Augen öffnete, war ich verzweifelt. Ich musste mich um meine Mutter kümmern. Noch heute spüre ich, wie sehr ich damals eingespannt war. "Du hast gar keine Zeit mehr für mich." Ich hatte für niemanden mehr Zeit und so ging meine erste Beziehung zu Ende. Ich verspürte Dankbarkeit. Ein Problem weniger. Ich sprang mit den Armen überm Kopf vornüber in die dunkelste Zeit, die ich bis dahin erleben sollte. Immer öfter verließ ich meinen Körper, versuchte nicht daran zu denken, dass mein Abschluss bald anstand. Samstagsabends weg, Sonntagsmorgens in die Kirche. 5 Kaugummis und eine besonders hohe Form des Zusammenreißens. Irgendwann wurden die Samstagabende auch meine Wochentage und ich hab keinen Unterschied mehr zwischen der Realität und den leeren Flaschen in meinem Schrank ziehen können. Das alles ist fast 8 Jahre her und doch ist es das auch nicht. Was ich in all den Jahren über mich gelernt habe? Dass ich nicht fürs scheitern gemacht bin. Ich bin zäh und schwer zu töten.

5 Kommentare:

  1. Du bist sehr interessant.
    Manchmal brauchen gerade die unkaputtbaren ein oder zwei Schultern zum Anlehnen.
    :)

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    1. Danke fürs lesen und kommentieren UND für das Kompliment. Ich sehe es jedenfalls als Kompliment.
      Du hast recht, auch die unkaputtbaren brauchen manchmal eine Schulter zum anlehnen, aber manchmal vergessen sie das auch und nehmen es nicht in Anspruch, bis sie irgendwann fallen.

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  2. Wow, das ist hart.
    Das du so etwas durch machen musstest, tut mir leid, das sollte niemand durch machen müssen!
    Es hat dich stärker werden lassen!
    Aber vergiss nicht, auch die starken Persönlichkeiten brauchen ab und an jemandem!
    Ich hoffe, das 2019 besser für Dich wird!

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    1. Ich glaube manchmal, dass es mir helfen sollte, mich auf Dinge vorzubereiten die danach kamen und die noch viel schlimmer waren. Irgendwie glaube ich genau das. Denn ohne diese schwere Zeit und generell wie ich aufgewachsen bin, wäre ich sicherlich an einer anderen Zeit (zum Beispiel letztes Jahr) zerbrochen.
      Und mir hat vor etwa einem Jahr eine Krankenschwester gesagt, dass ich eine ungeheure Stärke ausstrahle und ich damit noch vielen weiteren Leuten helfen kann. Das sagte sie mir in der Nacht, als wir Stunden auf der Palliativstation verbracht haben. Ich hab diese Stärke nie so deutlich sehen können.
      Ich denke immer, ich schaffe alles alleine und brauche niemanden. Vermutlich ist das einfach nicht richtig.

      Danke dir. Auch für deinen Kommentar und das durchlesen. Bedeutet mir echt viel.
      <3

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  3. Hey, ich hab den Post schon vor einer Weile gelesen, aber nicht geschafft, dein Kommentar zu beantworten. Kennst du das, zu müde für Worte zu sein?
    Jedenfalls... hat mich dein Post beim Lesen sehr gepackt. Ich hab dich damals nicht gekannt und es freut mich zu wissen, dass du hier damals Halt gefunden hast.
    Als ich vor einigen Jahren meinen Blog geöffnet habe, durfte ich eine ähnliche Erfahrung machen. Hier waren so viele, die geschrieben haben und mit denen man all das teilen konnte. Ich weiß nicht, wohin sie alle sind. Dann und wann kommt jemand zurück ...
    Ich hoffe, du bist erfolgreich bei deiner Suche. Denn einige gibt es noch, die Aktiven, die reden und hören und offen sind.
    Es tut mir leid, was du erlebt hast. Dass es acht Jahre her ist und doch irgendwie nicht ist bei einem solche einschneidenden und prägenden Erlebnis ja nur logisch...
    Und wie anonym da schon sagt.... manchmal sind es gerade die Starken, die Halt brauchen.

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