Ich glaub, hätte mich jemand im Januar 2019 gefragt, wie ich mir mein 2020 vorstelle, hätte ich nur mit dem Kopf geschüttelt. Gar nicht. Ich stellte es mir überhaupt nicht vor, weil ich mir fast sicher war, nicht mehr da sein zu würden. Ende 2018 ging es mir bereits psychisch so schlecht, dass ich nur diesen einen Gedanken hatte "
Halt durch, bis du deine Lieblingsband in London gesehen hast. Halt durch. Danach? Danach ist nichts mehr." Suizidgedanken zogen sich noch eine ganze Weile hin, bis ins neue Jahr. Es war noch nie so schlimm und kaum auszuhalten für mich. Ich fühlte mich so abgekapselt und alleine, dass jegliches existieren völlig sinnlos wirkte. Zugegebenermaßen, ich hab all die Jahre vorher auch nicht wirklich einen Sinn gesehen. Doch all das wurde zunehmend schlimmer, solange bis da nichts mehr war. Viele Dinge waren mit verantwortlich, aber ich glaube, dass es hauptsächlich die Veränderung meines Äußeren war. Das Gefühl nicht mehr zu wissen wer da vor einem im Spiegel zu sehen ist. Das ganze hormonelle durcheinander, als würde ich eine zweite Pubertät plus Wechseljahre durchmachen. Es hat mich zu hart erwischt. Als ich mit der Hormonzugabe stoppte, fand ich auch mich selbst langsam wieder. Besser als jemals zuvor. Ich hatte weibliche Hormone in meinem Körper. Ich hatte männliche Hormone in meinem Körper. Ich hab beides gesehen, beides gefühlt und ich kam zu dem Entschluss, dass das einfach nicht ist womit ich mich identifiziere. Für mich gibt es kein männlich oder weiblich. Ich bin ich. Ich möchte kein Teil eines Systems sein in dem ich mich einfach nur unwohl fühle. Ich bin außerhalb dessen und damit geht es mir gut. Das aufbrechen dieser Rollen war für mich wichtig aber hat mir auch gezeigt, wie schwer es ist in einer Heteronormativen Gesellschaft, als nonbinäre Person zu leben. Die meisten Menschen ignorieren kontinuierlich das Bedürfnis anderer Identitäten. Mein letzter Befreiungsschlag war, als ich meine fast 8 Jahre lange Beziehung beendet habe. Für uns beide fühlte es sich nur noch wie ein Gefängnis an. Nach allem was wir zusammen durchgemacht und durchgestanden haben, wurde dennoch immer deutlicher wie sehr ich mich in eine andere Richtung entwickelt habe. Ich hab mich viel kritischer mit mir selbst und der ganzen Welt und dessen System auseinander gesetzt und alles hinterfragt. Im Endeffekt hat vieles bei uns nicht mehr gepasst. Herauszufinden wer man selbst ist, ohne jemand anderen, ist ein unfassbares Gefühl, welches ich leider niemals erfahren konnte. Seit meinem frühen Jugendalter war ich immer in einer Beziehung in der ich keine Möglichkeit hatte, meine eigene Person zu sein. Ich hab jetzt einen Neustart, ich starte 2020 nicht nur mit dem Gedanken "Ich werde es bis 2021 schaffen", sondern mit dem Wunsch sehr lange auf dieser Welt zu sein, mehr von diesen positiven Gefühlen zu haben. Zu lieben, mich kennen zu lernen, die beste Version meiner selbst zu werden und so viel gutes wie möglich zu verbreiten. Wenn ich das schaffen kann, dann haben sich die furchtbaren Jahre vorher alle gelohnt. Dann hatte all das einen Sinn.